
Diagnostik
Medizinische und pädagogische Diagnostik
Diagnostik ist nicht gleich Diagnostik. Grundsätzlich lassen sich zwei diagnostische Verfahren unterscheiden. Die medizinische und die pädagogische Diagnostik. Welche Diagnostik für Ihr Kind sinnvoll ist, lässt sich unter anderem damit begründen, welchen Zweck Sie durch die Diagnostik beabsichtigen. Dazu berate ich Sie gerne.

Medizinische Diagnostik
Bei der medizinischen Diagnostik geht es darum, eine Lese-Rechtschreibstörung nach medizinischen Kriterien zu diagnostizieren. Bei einer Lese-Rechtschreibstörung (LRS) nach der ICD-10* handelt es sich um eine schulische Entwicklungsstörung, die nicht aufgrund mangelnder Intelligenz, unzureichender Beschulung oder körperlichen Erkrankung (z.B. durch Seh- oder Hörstörungen) zu begründen ist. Die genauen Ursachen können vielfältig sein, sind jedoch in der Regel angeboren (Vererbung/Veranlagung) oder entwickeln sich (eher selten) im frühkindlichen Alter. In vielen Fällen liegt eine Beeinträchtigung der visuellen und/oder auditiven Wahrnehmungsverarbeitung vor.
*Die ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) ist eine codierte Klassifikationsliste von Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen der WHO (Weltgesundheitsorganisation), die zur Erstellung medizinischer Diagnosen dient. In der aktualisierten ICD 11 wird die Lese-Rechtschreibstörung nicht mehr als schulische Entwicklungsstörung, sondern als neurobiologisch bedingte Lernstörung definiert. Neben den bereits bekannten Klassifizierungen der kombinierten Lese-Rechtschreibstörung und der isolierten Rechtschreibstörung, wurde schließlich die isolierte Lesestörung mit aufgenommen.
Wer diagnostiziert?
Die medizinische Diagnostik wird ausschließlich durch Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten sowie psychologische Psychotherapeuten durchgeführt.
Was wird untersucht?

Medizinische Diagnostik
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Überprüfung der Lese- und Rechtschreibleistung (durch standardisierte, normierte Lese- und Rechtschreibtests)
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Überprüfung der phonologischen Bewusstheit
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Untersuchung der kognitiven Fähigkeiten (Intelligenztest)
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Untersuchung des Verhaltens und der psychischen Gesundheit (z. B. Aufmerksamkeit, Angst, Impulsivität)
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Überprüfung der individuellen Entwicklung des Kindes sowie der Familiensituation (z.B. durch einen Anamnesebogen)
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körperliche und neurologische Untersuchung (u. a. Hör- und Sehfähigkeit)
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Anforderung eines Schulberichtes über den individuellen Entwicklungsstand des Kindes
Wann liegt eine Lese-Rechtschreibstörung nach ICD-10 vor?
Eine Lese-Rechtschreibstörung diagnostiziert nach ICD-10 liegt vor, wenn
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über einen längeren Zeitraum (mindestens 6 Monate) anhaltende gravierende Schwierigkeiten im Bereich des Lesens und/oder Schreibens vorliegen.
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die Leistung im Lesen und/oder Schreiben deutlich unter dem Klassen- und/oder Altersniveau (einfaches Diskrepanzkriterium) oder deutlich unter dem aus der allgemeinen Intelligenz zu erwartenden Leistungsniveaus (mehrfaches Diskrepanzkriterium) liegt.
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die geringen Leistungen nicht (allein) durch folgende Faktoren verursacht wurden:
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unterdurchschnittliche Intelligenz (Vorliegen einer allgemeinen Lernstörung)
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unzureichende/mangelnden Beschulung, ungeeignete Lernmethoden, häufiger Lehrerwechsel, Schulwechsel
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neurologischen Störungen (z.B. Hirschädigungen)
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Schädigung der Ohren oder Augen, die ein beeinträchtigtes Hör- oder Sehvermögen verursacht
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Psychologische Faktoren (Familienkrisen/Stress z.B. Todesfall in der Familie, Trennung der Eltern, …)
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Pädagogische Diagnostik
Das Ziel der pädagogischen Diagnostik besteht darin, ein präzises Leistungsbild des Kindes zu erfassen sowie dessen individuelle Stärken und Schwächen zu identifizieren. Welche schriftsprachlichen Fähigkeiten hat Ihr Kind bereits erworben? Wo genau liegen seine Schwierigkeiten? Um dies herauszufinden, werden alle von Ihrem Kind innerhalb der Diagnostik unterlaufenen Rechtschreibfehler nach ihrer Fehlerart klassifiziert und sortiert, wodurch ein individuelles Fehlerprofil entsteht. Dies ermöglicht uns, sowohl den Grad der Rechtschreibschwierigkeiten als auch die spezifischen Probleme zu identifizieren. Liegen lediglich geringe Schwierigkeiten vor, die intensives häusliche Üben, Nachhilfe oder schulischen Förderunterricht erfordern, oder sind es ausgeprägte Schwierigkeiten, die dem LRS-kritischen Störungsbereich zuzuordnen sind und eine gezielte LRS-Lernförderung bedürfen? Angesichts des komplexen und individuellen Fehlerprofils einer Lese-Rechtschreibstörung dient die detaillierte Auswertung für uns als wesentliche Grundlage zur Erstellung eines Therapieplans.
Wohingegen die medizinische Diagnostik die Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten als Lese-Rechtschreibstörung gemäß ICD-10 diagnostiziert, bildet die pädagogische Diagnostik demnach die Grundlage für die Erstellung optimaler Fördermaßnahmen innerhalb einer LRS-Lernförderung.
Wer diagnostiziert?
Eine pädagogische Diagnostik wird in lerntherapeutischen Einrichtungen durchgeführt. Vereinbaren Sie gerne online oder telefonisch einen Termin zur pädagogischen Erstdiagnostik bei Lernimpuls.
Was wird untersucht?

Pädagogische Diagnostik
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Überprüfung der Lese- und Rechtschreibleistung (durch standardisierte, normierte Lese- und Rechtschreibtests) inklusive detaillierter Fehleranalyse
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Rechtschreibtest
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Lesetest zur Erfassung der basalen Lesekompetenzen (Automatisierungsgrad und Genauigkeit)
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Lesetest zur Erfassung der Sinnentnahme
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Anamnestischer Elternfragebogen über die Bereiche Symptomatik, Entwicklung/Verhalten, familiäre Situation, Freizeit/soziale Kontakte, Schule/Lernverhalten und Begleitsymptome
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Beratungs- und Auswertungsgespräch
Weitere Informationen zum genauen Ablauf unserer pädagogischen Erstdagnostik finden sie hier.
Die pädagogische Diagnostik ermöglicht eine erste zuverlässige Einschätzung der Lese- und Rechtschreibkompetenzen bei Verdacht auf eine Lese-Rechtschreibstörung. Sie ist insgesamt weniger zeitaufwändig als die medizinische Diagnostik, da der Schwerpunkt auf der Überprüfung der Lese- und Rechtschreibfähigkeiten des Kindes liegt. Es wird daher häufig empfohlen, zunächst eine pädagogische Diagnostik durchzuführen.
Hinweis: Da eine medizinische Diagnose einer Lese-Rechtschreibstörung keine detaillierten Informationen über das Leistungsbild des Kindes bietet, führen wir zu Beginn einer Lernförderung stets eine pädagogische Diagnostik durch.
